Die Stadt ohne Juden by Hugo Bettauer

Die Stadt ohne Juden by Hugo Bettauer

Autor:Hugo Bettauer [Bettauer, Hugo]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-05-26T00:00:00+00:00


7. Kapitel.

Zwickerl macht Konkurs.

Herr Zwickerl war schlechter Laune und stocherte wütend in seinem Kirschenstrudel umher, der auf dem Teller vor ihm lag. Frau Zwickerl sah Sturm kommen und beugte vor.

„Anton, was is dir denn wieder über die Leber gelaufen? Geht das Geschäft nicht?“

Das war für Herrn Zwickerl zu viel. Er schob den Kirschenstrudel fort, wurde röter im Gesicht als die Kirschen im Strudel und brüllte:

„Oh ja, das G’schäft geht! Zum Teufel nämlich geht es! Damit du nur weißt, Konkurs muß ich ansagen!“

„Jessasmariandjosef!“ kreischte Frau Zwickerl auf. „Wie ist denn das möglich?! Es ist doch immer g’steckt voll im Laden und alle Leut’ glauben, daß du eine Goldgruben von dem Juden, dem Leßner, übernommen hast!“

„Ja,“ höhnte Zwickerl, „eine Goldgruben voll mit Dreck! Je mehr die Leut’ kaufen, desto mehr verlier’ ich! Weißt was? Daran san die verfluchten Valuten schuld! Kronen, schäbige Kronen krieg’ ich herein und Mark und tschechische Kronen und Franks fliegen hinaus. Zehntausend Meter Batist kauf’ ich in Reichenberg und nach acht Tagen kommt der Verkäufer von der Abteilung und strahlt über das ganze blöde Gesicht und sagt: „Herr Zwickerl, die Ware fliegt einem nur so aus der Hand! Morgen haben wir nicht mehr einen Meter im Haus!“

„Schön, denk’ ich mir und geh’ in die Buchhaltung, und wie wir nachrechnen, sehen wir, daß ich, weil die tschechische Krone wieder gestiegen ist, bei jedem Meter verloren hab’. Und das ist nur ein Beispiel von hunderten. Ich schlag’ eh’ bei jeder War’ schon dreihundert Prozent auf und trotzdem, die Krone fällt rascher, als ich aufschlagen kann, Verluste, nichts als Verluste, und die Länderbank, die mir das Kapital zur Übernahme gegeben hat, fordert Rückzahlung und ich kann nicht zahlen, weil ich ein riesiges Defizit habe. Im Gegenteil, ich brauche wieder eine Milliarde, weil ich sonst nicht einkaufen kann!“

Herr Zwickerl hatte sich Luft gemacht und war besänftigt. Er zog den Kirschenstrudel an sich heran und machte ein pfiffiges Gesicht:

„Weißt, Alte, wir braucheten einfach ein paar jüdische Banken, das ist alles! Früher, als ich mein kleines Geschäft in der Stumpergassen gehabt habe, da bin ich alleweil, wenn ich im Ausland kaufen mußte, zum krummen Kohn von der Hermesbank gegangen, wo mein Konto war, und der hat gesagt: Herr Zwickerl, hat er gesagt, Sie müssen sich jetzt mit Mark eindecken, weil die Mark steigen wird; oder: die Krone wird fester kommen, hat er gesagt, kaufen Sie Kronen. Und immer ist es richtig so gewesen und ich hab’ nicht nur an der Ware, sondern auch noch an der Valuta verdient! Aber jetzt — die Affen, die jetzt in der Bank beieinandersitzen, kennen sich selber net aus und i kenn’ mi auch net aus und alles geht kaput, sag’ ich dir!“

Herr Zwickerl gehörte zu den vielen kleinen Geschäftsleuten, die durch das Antijudengesetz mächtig in die Höhe gekommen waren. Mit Hilfe der urchristlich gewordenen Länderbank hatte er, der kleine Dutzendkaufmann, das große Warenhaus in der Mariahilferstraße an sich bringen können, und das erste Halbjahr war alles eitel Wonne gewesen. Wenn Herr Zwickerl auf der Galerie des Kaufhauses stand



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